Reger Radverkehr an einem sonnigen Morgen in Wien.

30. StVo-Novelle: Reißverschluss statt Wartepflicht, Losfahren gleich nach der Radfahrprüfung und Radwegbenutzung für Cargo Bikes

Am 30.1.2019 wurden vom Nationalrat Änderungen der 30. Novelle der Straßenverkehrsordnung beschlossen. Inkrafttreten wird sie am 1. April 2019. Ziel der Novelle ist unter anderem die Vereinfachung der Regeln für den Radverkehr und die Benutzung von Kleinfahrzeugen. Das sind die wichtigsten Änderungen:

Wartepflicht durch Reißverschlusssystem ersetzt
Zukünftig müssen Radfahrende am Ende von Radfahrstreifen nicht mehr warten und anderen Vorrang geben sondern dürfen sich im Reißverschlusssystem in den Verkehr einordnen. Lange Wartezeiten für Radfahrerinnen und Radfahrer sowie unklare Situatonen im Straßenverkehr fallen so weg.

4. § 11 Abs. 5 lautet: „(5) Wenn auf Straßen mit mehr als einem Fahrstreifen für die betreffende Fahrtrichtung das durchgehende Befahren eines Fahrstreifens nicht möglich oder nicht zulässig ist oder ein Fahrstreifen endet, ist den am Weiterfahren gehinderten Fahrzeugen der Wechsel auf den zunächst gelegen verbleibenden Fahrstreifen in der Weise zu ermöglichen, dass diese Fahrzeuge jeweils im Wechsel einem auf dem durchgehenden Fahrstreifen fahrenden Fahrzeug nachfolgen können (Reißverschlusssystem).  Das Reißverschlusssystem ist auch anzuwenden, wenn die beschriebenen Umstände in Bezug auf einen Radfahrstreifen auftreten.“

Transportfahrräder mit einer Breite bis zu 100 cm dürfen den Radweg benützen.

Frau fährt mit Transportfahrrad in der Begegnungszone Schleifmühlbrücke mit dem Naschmarkt im Hintergrund. Ihr kleiner Sohn sitzt im Korb des Transportfahrrads. Foto: Stephan Doleschal
Bisher war die Benutzung des Radwegs nur für Transportfahrräder erlaubt, die maximal 80 cm breit sind. Diese Änderung bringt vor allem Vorteile für Familien mit Kindern, die ein Cargo Bike fahren. Denn häufig sind die von Müttern und Vätern genutzten Transportfahrräder zweispurige Modelle. Gerade mit kleineren Kindern im „Gepäck“ fühlen sich viele sicherer beim Fahren auf dem Radweg.

10. § 68 Abs. 1 lautet:
„(1) Auf Straßen mit einer Radfahranlage ist mit einspurigen Fahrrädern ohne Anhänger die Radfahranlage zu benützen, wenn der Abstand der Naben des Vorderrades und des Hinterrades nicht mehr als 1,7 m beträgt und das Befahren der Radfahranlage in der vom Radfahrer beabsichtigten Fahrtrichtung gemäß § 8a erlaubt ist. Mit Fahrrädern mit einem Anhänger, der nicht breiter als 100 cm ist, mit mehrspurigen Fahrrädern, die nicht breiter als 100 cm sind, sowie bei Trainingsfahrten mit Rennfahrrädern darf die Radfahranlage benützt werden; mit Fahrrädern mit einem sonstigen Anhänger oder mit sonstigen mehrspurigen Fahrrädern ist die für den übrigen Verkehr bestimmte Fahrbahn zu benützen. Auf Gehsteigen und Gehwegen ist das Radfahren in Längsrichtung verboten. Auf Geh-und Radwegen haben sich Radfahrer so zu verhalten, dass Fußgänger nicht gefährdet werden.“

Änderungen der Modalitäten bei der Radfahrprüfung
Kinder machen üblicherweise in der 4. Klasse Volksschule die Radfahrprüfung. Alleine Radfahren mit Radfahrausweis ist derzeit aber erst mit zehn Jahren erlaubt. Die neue Regelung sieht vor, dass auch 9-jährige Mädchen und Buben sofort nach bestandener Radfahrprüfung auch ohne Erwachsene Begleitperson Rad fahren dürfen. Damit müssen jüngere Kinder mit Radfahrausweis nicht mehr auf ihre erste Ausfahrt warten.

9. § 65 Abs. 2 1. Satz lautet:
„Die Behörde hat auf Antrag des gesetzlichen Vertreters des Kindes die Bewilligung nach Abs. 1 zu erteilen, wenn das Kind
1. das 9. Lebensjahr vollendet hat und die 4. Schulstufe besucht oder
2. das 10. Lebensjahr vollendet hat
und anzunehmen ist, dass es die erforderliche körperliche und geistige Eignung sowie Kenntnisse der
straßenpolizeilichen Vorschriften besitzt.“

Ein Bub fährt mit dem Fahrrad über eine Kreuzung

Benutzung von Kleinfahrzeugen
Miniscooter, oder auch Tretroller, die häufig von Kindern genutzt werden gelten als sogenanntes „fahrzeugähnliches Kinderspielzeug“. Künftig dürfen diese bereits ab dem 8. Lebensjahr ohne Begleitperson verwendet werden. Bislang war dies erst ab 10 Jahren (mit Radfahrausweis) beziehungsweise 12 Jahren erlaubt. Mit kleinen Scootern darf in Schrittgeschwindigkeit auf dem Gehsteig gefahren werden, sofern keine FußgängerInnen gefährdet werden. Für elektrische Scooter gilt diese Regelung nicht.
Der Umgang mit E-Scootern ist nicht Teil dieser Novelle. Eine Regelung wurde von Verkehrsminister angekündigt.

Darüber hinaus erlaubt der „§ 88 Spielen auf Straßen“ nun das Spielen auf dem Gehsteig. Diese Änderung geht auf eine Initiative der Mobilitätsagentur und der Stadt Wien zurück.

11. § 88 Abs. 2 lautet:
„(2)   Spiele   auf   Gehsteigen   oder   Gehwegen  und   deren   Befahren   mit   fahrzeugähnlichem  Kinderspielzeug   und   ähnlichen   Bewegungsmitteln   in   Schrittgeschwindigkeit   sind   gestattet,   wenn  hierdurch  der  Verkehr  auf  der  Fahrbahn  oder  Fußgänger  nicht  gefährdet  oder  behindert  werden.  Kinder  unter  zwölf  Jahren  müssen  beim  Befahren  von  Gehsteigen  oder  Gehwegen  mit  den  genannten  Geräten  von einer Person, die das 16. Lebensjahr vollendet hat, beaufsichtigt werden, wenn sie nicht Inhaber eines Radfahrausweises gemäß § 65 sind. Die Beaufsichtigungspflicht entfällt für Kinder über 8 Jahren für die Benützung der genannten Geräte, sofern diese ausschließlich durch Muskelkraft betrieben werden.“

Details zur Novelle finden Sie auf der Website des Parlaments: 30. Novelle Straßenverkehrsordnung 

Martin Blum, Radverkehrsbeauftragter der Stadt Wien: „Die neue Straßenverkehrsordnung legalisiert vieles, das bereits gängiges und gut funktionierendes Verhalten ist. Wenn ein Radfahrstreifen endet, ordnen sich schon jetzt die meisten fließend in den Verkehr ein. Eltern radeln mit dem dreirädrigen Transportfahrrad am Radweg und nicht auf der Gürtelfahrbahn. Achtjährige Kinder fahren mit den Scootern allein zur Schule. Diese Anpassung der Straßenverkehrsordnung an die Realität begrüße ich sehr. Neunjährige Kinder in der vierten Klasse bekommen künftig gleich nach der bestandenen Prüfung den Radfahrausweis. Bisher mussten sie auf den 10. Geburtstag warten. Diese Neuerung ist positiv.“

3 Kommentare

gert tietz sagte am 31.01.2019, 20:15:
bei einer mindestbreite von 2 m von 2-richtungsradwegen, wie z.b. zwischen arbeiterstrandbadstr. und reichsbrücke, mit den bekannten erschwernissen, wie hotelzugang, busparkplätze mit aus-/einsteigenden passagieren und nicht zuletzt den zu knapp neben dem radweg gesetzten verkehrszeichen, ist die freigabe für bis zu 1 m breiten lastenrädern in verbindung mit starkem radverkehrsaufkommen nicht unproblematisch. hier sind lösungen gefragt - z.b. verbreiterung des radweges, freimachung des lichtraumprofils, neuplanung, etc.
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Martin Eberhartinger sagte am 20.02.2019, 11:42:
Es kann nicht immer Lösungen vom Gesetzgeber geben, die Benutzer sind gefordert mitzudenken - wenn einem ein breites Fahrrad entgegenkommt und man selbst ein breites Fahrrad hat, dann muss man halt langsamer werden und im schlimmsten Fall stehenbleiben. Das ist jetzt schon auf Radwegen der Fall und wird sich nicht ändern. Das gilt auch auf Radstreifen gegen die Einbahn, wo es manchmal wirklich eng wird. Mit dem Fahrrad nicht mit dem Kopf durch die Wand sondern Hirn einschalten :)
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HAE sagte am 28.03.2019, 11:32:
Gerade in der Arbeiterstrandbadstraße (30er Zone) gehört die Radwegbenutzungspflicht endlich abgeschafft! Dann ist auch das Problem Vergangenheit.
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