Portraitfoto von Radlehrerin Daniela, die in die Kamera lächelt

„Radfahren ist wie Fliegen.“ Daniela, Radlehrerin

Daniela arbeitet als Fahrradlehrerin für den ÖAMTC. Sie gibt dort gratis Fahrradkurse für Frauen aus der ganzen Welt. So können jene Frauen, die nie Radfahren gelernt haben oder lange nicht gefahren sind, diese Fertigkeit erwerben oder ihre Kenntnisse auffrischen. Wir haben Daniela im ÖAMTC-Mobilitätspark in Erdberg getroffen und uns darüber unterhalten, wie es ist, als Radlehrerin zu arbeiten.

Seit wann bist Du Radlehrerin? Wie ist es dazu gekommen?

Ich mag das Radfahren wirklich sehr gerne. Im Frühling, Sommer und Herbst fahre ich eigentlich fast alles mit dem Rad und gehe zum Beispiel auch gern Mountainbiken in meiner Freizeit. Zu meinem Beruf bin ich eigentlich durch Zufall gekommen. Ich habe von einem Freund gehört, dass es beim ÖAMTC die Gelegenheit gibt, sich als Radlehrerin ausbilden zu lassen, um anschließend dort Kurse zu geben. Für mich war sofort klar: Das will ich machen. Ich habe dann die zweiwöchige Ausbildung „Moveo ergo sum“ nach dem System von Christian Burmeister absolviert und gebe jetzt seit 4 Jahren beim ÖAMTC Fahrradkurse für Frauen. Für mich ist es die ideale Ergänzung und ein schöner Ausgleich zu meinem anderen Job, in dem ich als Mediatorin mit schwierigen Schulklassen arbeite.

Wer besucht eure Kurse?

Die Kurse sind für Frauen aus der ganzen Welt gedacht. Wir haben ein bunt gemischtes, sehr multikulturelles Publikum, in dem auch alle Altersgruppen vertreten sind. Die Teilnehmerinnen sind zwischen 16 bis 80 Jahre alt und kommen beispielsweise aus Ländern wie Afghanistan, Türkei oder Syrien. Dort ist das Fahrrad als Fortbewegungsmittel teilweise nicht üblich, z.B. aufgrund mangelnder Infrastruktur, oder Frauen dürfen dort nicht Rad fahren. Aber auch immer mehr Österreicherinnen nehmen unser Angebot wahr. Neulich hatte ich eine österreichische Dame im Kurs, deren Mutter damals zu ängstlich war, um ihr das Radfahren beizubringen. Die kam in unseren Kurs und hat uns erzählt: Jetzt erfülle ich mir diesen Traum im Nachhinein. Die Nachfrage ist sehr groß. Mittlerweile sind nach zwei bis drei Wochen alle Termine ausgebucht. Und für diesen Herbst haben wir nur noch eine Warteliste.

Zwei Frauen mit Fahrrädern stehen sich gegenüber

ÖAMTC Fahrradkurs © ÖAMTC/Bauer

Welche Entwicklung machen die Frauen im Laufe des Kurses durch? Es ist ja doch ein großer Schritt innerhalb von kurzer Zeit gemeinsam im Straßenverkehr zu fahren, wenn man teilweise noch nie vorher auf einem Rad gesessen ist.

Die Frauen werden auf jeden Fall selbstbewusster, sie merken dass sie das auch lernen können und diese Selbstermächtigung macht sie auch glücklich. Alle freuen sich, dass sie diese Chance bekommen. Schön ist immer der Moment, wenn die Frauen wirklich auf dem Fahrrad unterwegs sind. Manche der Frauen fangen dann vor Freude sogar an zu weinen. Am Ende des Kurses sagen viele „Radfahren ist wie Fliegen.“ Eine Kursteilnehmerin meinte neulich zu mir „Es ist, wie wenn ich Fesseln gehabt hätte und jetzt bin ich befreit.“ Zwischen den Teilnehmerinnen im Kurs entsteht oft auch eine große Solidarität und sie fühlen, dass es hier ein geschützter Rahmen ist, in dem sie lernen können, was sie sich teilweise schon lange wünschen.

Was schätzt Du an deinem Beruf? Was sind Herausforderungen?   

Ich bin sehr dankbar, den Frauen das Radfahren beibringen zu können. Sie dabei zu begleiten, ist erfüllend. Manche haben das Radfahren ja schon früher einmal mit ihren Familien oder in anderen Fahrradkursen probiert und haben es nicht geschafft. Mit uns schaffen sie es dann, weil wir wirklich Schritt für Schritt gemeinsam gehen und sie im Prozess begleiten. Oft werde ich auch im Nachhinein von früheren Teilnehmerinnen auf der Straße wiedererkannt und angesprochen. Diese Herzlichkeit zurückzubekommen ist sehr schön. Herausfordernd ist es manchmal, den Teilnehmerinnen ihre Angst zu nehmen. Sie machen alles gut und kaum sind sie unterwegs, kommt die Angst im Kopf zurück und hemmt. Da muss ich dann oft ermutigen, die Angst loszulassen. Und das Wetter ist manchmal auch eine Herausforderung, da wir bei jedem Wetter unterwegs sind und viele keine Regenkleidung besitzen.

Was bedeutet für Dich Radfahren?

Ein Stück Freiheit.

Die ÖAMTC-Fahrradkurse für Frauen aus aller Welt werden in Kooperation mit der Mobilitätsagentur Wien organisiert. Das Angebot richtet sich an Frauen, die nie Rad fahren gelernt haben oder lange nicht gefahren sind. Bei Interesse werden auch Fahrradkurse für Männer organisiert.

Ein Fahrradkurs besteht aus acht Übungstagen zu je drei Stunden und drei ebenfalls dreistündigen Ausfahrten. Gestartet wird im Kurs mit einem Tretroller und mit einfachen Gleichgewichtsübungen. Dann lernen die Teilnehmerinnen auf dem Rollerrad mit einem hochgeklappten Pedal das Auf- und Absteigen. Erst wenn sie das sicher beherrschen, steigen sie aufs Fahrrad um. Bei den Ausfahrten üben sie das sichere Fahren im Straßenverkehr. Dazu gehört auch das Wissen über Verkehrsregeln und -schilder. Pro Kurs können maximal zwölf Frauen teilnehmen. Fahrräder und Helme werden zur Verfügung gestellt. Bei den Ausfahrten können eigene Räder verwendet werden.

Detail-Infos zu Terminen und Anmeldung: Fahrradkurse für Frauen oder via Email an diversitaet@oeamtc.at

2 Kommentare

Oliver Schmerold sagte am 10.08.2020, 19:47:
Daniela und ihre Kolleg*innen sind ein wesentlicher Teil des ÖAMTC Teams, welches für sichere und individuell gestaltete Mobilität seiner Mitglieder aktiv eintritt und diese ermöglicht und sichert. Die Fahrradkurse für Migrantinnen mit Unterstützung der Mobilitätsagentur tragen zur Erfüllung unseres Vereinstwecks bei und stehen nicht nur Mitgliedern offen. Danke an Susanne Reichard und Nasila Berangy-Dadgar für die Initiative und and Ellen Dehnert für die Kompetenz die uns moveo ergo sum aus Deutschland durch sie bringt.
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Johann Rubitzko sagte am 31.08.2020, 16:27:
Es freut mich ungemein, dass die STVO bei diesen Kursen einen wichtigen (zumeist leider) vernachlässigten Beitrag leistet...
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