Radfahrerin fährt entlang des Wienfluss Radwegs

„Das Fahrrad hat zur Emanzipation mehr beigetragen“

Das titelgebende Zitat stammt von der Frauenrechtlerin Rosa Mayreder, die um 1900 in Wien lebte. In voller Länge lautet es: „Das Bicycle hat zur Emanzipation der Frauen aus den höheren Gesellschaftsschichten mehr beigetragen als alle Bestrebungen der Frauenbewegung zusammengenommen.“ Mit Ende des 19. Jahrhunderts wurden Fahrräder auch für eine breite Gesellschaftsschicht erschwinglich und von Frauen seither viel genutzt.

Damals waren radfahrende Frauen in Österreich aber mit Widerständen konfrontiert. Für sie galt Radfahren u.a. als unsittlich, weil ihnen unterstellt wurde, radelnd am Sattel zu onanieren. Manche Klischees ändern sich auch bis heute nicht. Wer bei Google nach „Radfahren Frauen“ sucht, erhält folgende oder ähnliche Suchanfragen vorgeschlagen: „Wie fühlt sich Radfahren für Frauen an?“ und daran anschließend „Wie steigen Frauen aufs Fahrrad?“. Bei „Radfahren Männer“ kommt kein entsprechendes Pendant. Warum erscheinen Radfahrerinnen also für manche als exotisch oder ungewöhnlich?

Radsport – eine Männerdomäne?

Wie bei vielen Sportarten gilt auch beim Radsport, dass vor allem über Männer gesprochen wurde und wird. Oder haben Sie schon einmal von den Rennradfahrerinnen Mizzi Wokrina und Cenci Flendrofsky gehört? Beide nahmen erfolgreich an Radrennen teil und waren auch für eine mögliche Umbenennung des Ferry-Dusika-Stadions im Gespräch. Ende des 19. Jahrhundert wurde Frauen die Teilnahme an Radrennen durch die Dachverbände untersagt.

Nora fährt auf ihrem Rennrad

Rennradfahrerin Nora Turner (© Björn Reschabek)

Erst 100 Jahre später wurden Rennen für Frauen wieder offiziell erlaubt, aber auch heute sind Teilnehmerinnen bei AmateurInnen-Rennen mit rund 10% deutlich in der Minderheit. Eine von ihnen ist Nora, die uns über ihren Rennradalltag verraten hat: „Normalerweise sind es zwischen 12 und 15 Stunden reine Fahrtzeit pro Woche, dazu kommt dann auch mal die ein oder andere Pause. Meistens fahre ich an etwa 5 Tagen die Woche: Am Wochenende gern was längeres, unter der Woche bin ich eher abends bzw. nachts auf dem Rad.“ Frauen, die mit Rennradfahren starten wollen und dabei Anschluss suchen, legt sie den Cycling Women’s Club „Mitzi and Friends“ ans Herz.

Und die Emanzipation?

Rosa Mayreder hat aber nicht an den Radsport gedacht, als sie von der Emanzipation durch das Fahrrad geschrieben hat. In den 1890-ern fallen mehrere Begebenheiten zeitlich zusammen: ArbeiterInnen-Parteien werden gegründet. Außerdem nimmt der Kampf um das Frauenwahlrecht Fahrt auf. Und die Fahrräder in der heutigen Form – statt des Hochrads – werden für ein breites Publikum leistbar. Anna Boschek, die erste Frau im Parteivorstand der sozialdemokratischen Arbeiterpartei, war leidenschaftliche Radfahrerin. Je mehr Frauen Fahrrad fuhren, desto mehr wurde die Kleiderfrage zum Thema: Mit Korsett und langen weiten Röcken ist es weitaus schwieriger Rad zu fahren als später mit Pumphosen und Hosenröcken. Das Fahrrad hatte aber auch abseits der Kleiderfrage eine politische Dimension. Englische Suffragetten nutzen das Fahrrad zum Flyer verteilen oder auch als Fluchtfahrzeug. Das Fahrrad hat den Frauen Freiheit gegeben: Bewegungsfreiheit durch die Mobilität und das Aufkommen und Tragen bequemere Kleidung. Sie wurden mobiler, flexibler und unabhängiger und konnten größerer Distanzen überwinden.

Anna Boschek (© Wienbibliothek im Rathaus, Dokumentation, TF-001019)

Nach dem ersten Weltkrieg hat sich das Fahrrad für alle Geschlechter als Fortbewegungsmittel in Europa und Nordamerika etabliert. Aber nicht in allen Ländern der Welt ist Radfahren für Frauen heutzutage selbstverständlich. So erzählt uns die 50-jährige Fatima von ihrer Kindheit im Irak: „Meine Mutter hat aber immer gesagt, dass es für mich als Mädchen verboten ist. Mein Bruder durfte aber schon. Als ich 7 Jahre alt war, habe ich heimlich das Fahrrad meines Bruders genommen und bin damit durch die Gassen gelaufen – und zwar in der Mittagshitze, während meine Mutter geschlafen hat.“

Fatima und ihr Fahrrad auf der Donauinsel

Fatima mit ihrem Fahrrad auf der Donauinsel

Abendprogramm für den Frauentag am 8. März

Auch im Iran kämpfen Frauen noch heute für ihr gesellschaftliches Recht, Rad zu fahren. Und diesen gesellschaftlichen Kampf thematisiert auch der Spielfilm „Das Mädchen Wadjda“ – in diesem Fall in Riad (Saudi-Arabien). Der Film ist auf gängigen Streaming-Plattformen verfügbar und ein mögliches Abendprogramm für den Frauentag am 8. März.

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Sie wollen lieber aktivistisch tätig sein am 8. März? Widmen Sie sich der Google-Suche und geben Sie dem Google-Algorithmus doch andere Suchvorschläge, in dem sie zuerst nach „Radfahren Frauen“ und dann nach „was hat Radfahren mit Emanzipation zu tun“ suchen!

Die historischen Informationen in diesem Text stammen aus „Motor bin ich selbst. 200 Jahre Radfahren in Wien“, herausgegeben von Bernhard Hachleitner, Matthias Marschik, Rudolf Müllner und Michael Zappe, sowie aus „Warum feiern. Beiträge zu 100 Jahren Frauenwahlrecht“, herausgegeben von Elena Messner, Eva Schörkhuber und Petra Sturm.

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