Reger Radverkehr an einem sonnigen Morgen in Wien.

„Das Rad ist ein sehr platzeffizientes Verkehrsmittel.“

Stefanie Peer ist Assistenzprofessorin an der WU Wien und beschäftigt sich mit Transportökonomie. Im Interview spricht sie über unterschiedliche Mobilitätsanforderungen in Städten, die Problematik von Statistiken und warum das Fahrrad – auch volkswirtschaftlich gesehen – dennoch ein recht günstiges Verkehrsmittel ist.

Wann immer man über Zukunftsthemen spricht, insbesondere auch in Bezug auf Städte, kommt man am Thema Mobilität kaum vorbei. Wenn man das Ganze aus volkswirtschaftlicher Sicht betrachtet: Welches Verkehrsmittel ist – auch perspektivisch gesehen – das „günstigste“?
Stefanie Peer: Wenn wir über volkswirtschaftliche Kosten sprechen, ist das schwer generalisierbar. Manche Mobilitätskonzepte eignen sich für die eine Stadt hervorragend, für eine andere überhaupt nicht. Eine amerikanisch strukturierte Stadt wie Los Angeles braucht ein ganz anderes Konzept als eine typische, dicht bebaute Stadt in Europa. In dicht bebauten Städten ist der Platz, der für Infrastruktur zur Verfügung steht, begrenzter und der Platzverbrauch einzelner Verkehrsmittel ein wichtiges Kriterium. Da schneidet das Rad, vor allem im Vergleich zum motorisierten Individualverkehr sehr gut ab. Volkswirtschaftlich müssen bei einem Verkehrsmittelvergleich auch externe Effekte berücksichtigt werden, also jene Kosten und in manchen Fällen auch Nutzen, die der Entscheidungsträger selbst in seiner Verkehrsmittelwahl nicht berücksichtigt, die aber dennoch volkswirtschaftliche Auswirkungen haben.

Können Sie ein Beispiel dafür geben?
Beim motorisierten Individualverkehr geht es vor allem um negative externe Effekte: Emissionen, Lärm, und Reisezeitverluste aufgrund von Staus sind die klassischen Beispiele.  Bei der Verkehrsmittelwahl eines Einzelnen spielen diese Aspekte zumeist kaum eine Rolle, der Gesellschaft bürdet die Wahl jedoch hohe Kosten auf. Beim Radfahren gibt es solche negativen externen Effekte kaum, eventuell existieren sogar positive externe Effekte, zum Beispiel wenn das Radfahren positive Auswirkungen auf die Gesundheit mit sich bringt, die von den Radfahrern in ihrer Verkehrsmittelwahl nicht einbezogen wurden. Fortsetzung nach dem Foto

Es gibt Statistiken die besagen, dass RadfahrerInnen einer Gesellschaft Geld bringen, wohingegen AutofahrerInnen Geld kosten. Wie kommen solche Berechnungen zustande?
Diese Berechnungen beruhen meist auf Kosten-Nutzen-Analysen, die die volkswirtschaftlichen Kosten und Nutzen, beispielsweise einer Infrastrukturinvestition, gegenüberstellen. Die Kosten sind meist relativ einfach zu eruieren, die Nutzenseite ist im Kontext des Radfahrens jedoch methodologisch problematisch. Nehmen wir beispielsweise das Thema Gesundheitseffekte: Häufig fahren jene Leute mit dem Rad, die ohnehin sehr fit sind und – wenn sie nicht Radfahren könnten – einen anderen Sport ausüben würden. Unter solchen Annahmen ist der gesellschaftliche Nutzen, z.B. in der Form einer Kostensenkung im Gesundheitswesen, relativ gering.

Kann man trotzdem sagen, dass das Rad volkswirtschaftlich das günstigste Verkehrsmittel ist?
Der größte Vorteil des Rades ist – wie schon erwähnt – dass es ein sehr platzeffizientes Fortbewegungsmittel ist. Der öffentliche Verkehr ist diesbezüglich ähnlich effizient, allerdings sind dort die Kosten der Infrastruktur viel höher. Es kommt daher vor allem darauf an, von wie vielen Personen die Infrastruktur genutzt wird. Neue Infrastruktur für Radfahrer ist normalerweise relativ günstig, daher muss die Anzahl der Nutzer gar nicht so hoch sein, damit sich das volkswirtschaftlich gesehen bezahlt macht.

Für viele Menschen sind die persönlichen Kosten ein wichtigeres Argument als die volkswirtschaftlichen Kosten. Gibt es da konkrete Zahlen?
Grundsätzlich ist es so, dass die meisten Personen nicht nur ein Verkehrsmittel nutzen, sondern einen Mobilitätsmix. Wenn ich ausschließlich mit dem Rad fahre, kann ich ganz einfach ausrechnen, wie viel mich das kostet – nämlich relativ wenig. Zudem gibt es mittlerweile auch zahlreiche Leihradanbieter, ich bräuchte also nicht einmal ein eigenes Rad. Konkrete Zahlen sind aufgrund der zahlreichen Faktoren schwer zu ermitteln, aber eines lässt sich mit Sicherheit sagen: Das Fahrrad ist ein sehr günstiges Verkehrsmittel, nicht nur von den rein monetären Kosten her gesehen, sondern auch in Bezug auf andere Attribute, insbesondere die Fahrzeit, die in dichten Städten oft sogar geringer ist als mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Auto.

Stefanie Peer, WU Wien

Stefanie Peer, WU Wien

3 Kommentare

Walpurga Linnau sagte am 03.11.2018, 22:54:
Ich kann der Studie nur zustimmen. Seit meinem 17. Lebensjahr benütze ich für Erledigungen im Umkreis von bis zu 10 km das Fahrrad. Auch einkaufen für meine 5-köpfige Familie war damit oft möglich. Nun bin ich Großmutter und halte mich mit dem billigen Verkehrsmittel Fahrrad weiterhin fit. Zum Glück sind auch meine 3Kinder und 7 Enkelkinder Radfahrer - gut für die städtische Umwelt!
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Brigitte Berger- Weinzirl sagte am 19.11.2018, 16:38:
Ich verstehe nicht, warum man immer nur gutes über das Fahrrad schreibt und dann schaut man auf die Wiener Strassen und es ändert sich nur in mikroskopischen Dimensionen die Fahrrad Infrastruktur. Es gibt keinen Grund dem Auto soviel Platz in der Stadt einzuräumen. Weg damit! Aber bitte etwas mutigere Politik machen, nicht warten bis man 70 Jahre alt ist und ins Grab fällt...
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Kathrin Ivancsits sagte am 27.11.2018, 13:15:
Liebe Brigitte Berger-Weinzirl. Danke für den Kommentar. Gute Argumente, wie hier von einer Wirtschaftsexpertin, ermutigen auch die Politik sich mehr für Infrastruktur einzusetzen.
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