Wienerinnen und Wiener legen ein Drittel ihrer Wege zu Fuß oder mit dem Rad zurück. Potenzial nach oben ist vorhanden.

Rund ein Drittel ihrer Wege legen die Menschen in Wien, laut der Verkehrserhebung 2018 der Wiener Linien, mit eigener Muskelkraft zurück. Sie fahren mit dem Rad zur Arbeit, gehen zum Einkaufen und bringen ihre Kinder zu Fuß oder mit dem Rad in den Kindergarten. Das ist klimaschonend, gesund und praktisch.

Die große Bedeutung dieser sogenannten „aktiven Mobilität“ für die Stadt wird häufig unterschätzt. Obwohl die Wienerinnen und Wiener weniger Wege im Auto, als zu Fuß und mit dem Fahrrad zurücklegen, dominiert der Kfz-Verkehr, der sehr viel Platz benötigt, das Straßenbild.

Wien hat in der Vergangenheit viel für umweltverträgliche Mobilität erreicht. Seit einigen Jahren stagniert aber der Anteil von Öffi-Verkehr, Zu-Fuß-Gehen und Radfahren. Im Jahr 2018 hat der Anteil des Autoverkehrs von 27 auf 29 Prozent zugenommen, jener des Zu-Fuß-Gehens von 28 auf 26 Prozent abgenommen. Ein klarer Trend ist nicht ersichtlich, denn erst ein Jahr davor gab es die entgegengesetzte Entwicklung. Seit dem Jahr 2014 ist der Anteil der Wege, die mit dem Fahrrad zurückgelegt werden, konstant bei sieben Prozent.

Bei der Verkehrserhebung, in der Fachsprache auch „Modal-Split“ bezeichnet, werden jährlich 2.000 Wienerinnen und Wiener danach gefragt, mit welchem Verkehrsmittel sie an einem bestimmten Stichtag ihre Wege zurück gelegt haben. Die Erhebung ist daher keine exakte Messung, kann aber Auskunft über Entwicklungen und Größenordnungen liefern.

Neben dem Modal-Split gibt es auch Verkehrszählungen. Beim Radverkehr zeigten diese im Jahr 2018 einen Zuwachs um rund sechs Prozent im Vergleich zum Jahr davor. Der Kfz-Verkehr war an den Dauerzählstellen der Stadt (Link)  zwischen den Jahren 2010 und 2015 rückläufig. Seit dem Jahr 2016 nimmt der Autoverkehr wieder zu. Für das Jahr 2018 gibt es noch keine Daten. Eine vorläufige Auswertung von Zählstellen der Asfinag durch den VCÖ (Link) zeigt aber, dass sich der Trend zu mehr KfZ-Verkehr fortsetzt.

Wie lassen sich diese Entwicklungen erklären? Ein Versuch.

  • Gute Konjunktur: Die Wirtschaftslage hat sich nach Jahren der Krise erholt. Die Pkw-Neuzulassungen waren im Jahr 2018 auf Höchstniveau. Die Leute achten auch bei einzelnen Autofahrten weniger auf die Kosten.
  • Stadtentwicklung: Ein Großteil des Wachstums der Stadt findet in Außenbezirken statt. Die Strukturen begünstigen dort, im Verhältnis zu den Gründerzeitvierteln, den Autoverkehr.
  • Parkraumbewirtschaftung: Sie führt zu weniger Kfz-Pendelverkehr, weil Parkplätze kostenpflichtig sind. Gleichzeitig werden Autofahrten innerhalb des Bezirks attraktiver. Das trifft insbesondere auf große Bezirke zu. Freie Parkplätze sind dort jetzt leichter zu finden.
  • Der Anteil des Kfz-Verkehrs ist in Wien seit dem Jahr 1993 von 40 auf zwischenzeitlich 27 Prozent gesunken. Damit ist ein Level erreicht, an dem weitere Verringerungen nur mit weitreichenderen Maßnahmen erreichbar sind. Insbesonders betrifft das die Aufteilung des Straßenraums.
  • Verkehrspolitik ist noch immer ein Konfliktthema. Es fehlt ein breiterer gesellschaftlicher Konsens, wie städtische Mobilität der Zukunft aussehen soll.

 

Wien hat sich in den vergangenen Jahren auch international einen sehr guten Ruf bei moderner Verkehrspolitik erarbeitet.  Aber die selbstgesteckten Ziele im Verkehrs-, Klimaschutz und Energiebereich für die Jahre 2025 und 2030 sind in weite Ferne gerückt. Wenn diese erreicht werden sollen, gilt es rasch nachzuschärfen.

Das Potenzial ist da. Die Bereitschaft, in Wien zu Fuß zu gehen ist sehr hoch. Heute sagen 88 Prozent der Wienerinnen und Wiener, dass sie gerne zu Fuß unterwegs sind. Im Jahr 2013 waren es nur 59 Prozent.  Viele Wienerinnen und Wiener würden auch gerne Rad fahren. Mit mehr durchgängigen, sicheren und breiten Radwegeverbindungen durch die Stadt würden sie das tun.

4 Kommentare

Robert Grasböck sagte am 13.02.2019, 18:37:
Ein paar Gedanken von mir: - Parkplätze sind in Wien viel zu günstig - Der Treibstoff ist viel zu billig! -> Bitte vergleichen Sie die Spritpreise mit der Verkehrsentwicklung - Ampeln sind für Autos viel zu attraktiv und für Fußgänger/Radfahrer viel zu unattraktiv eingestellt. - Viele Straßen müssten "entschärft" werden, weil sie zum Schnellfahren verleiten und Fußgänger stark benachteiligen - strengere Geschwindigkeitskontrollen (z.B. in 30er Zonen) - ganz viel Infrastruktur ist für das Auto ausgelegt (z.B. rund um die Marxer Halle im 11. Bezirk oder rund um Station Erdberg) Bei neuen Bauprojekten muss viel mehr an Fußgänger und Radfahrer gedacht werden - manche, wenige Orte sind mit Öffis noch immer schlecht angebunden, dafür müssen auch Lösungen gemacht werden
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Herbert Kranenpichler sagte am 25.02.2019, 18:22:
Die Politik reagiert hier viel zu zögerlich, dabei sind die Antworten schon längst erarbeitet. Man muss den Treibstoff adequat besteuern und auch den volkswirtschaftlichen Schaden durch vermehrte Gesundheitskosten durch Abgase und Bewegungsmangel der Bevölkerung, vermehrte Renovierungsarbeiten an Fassaden in der (Innen-)Stadt durch Abgase sowie Reparaturarbeiten am Strassenbelag, erhöhte Unfallgefahr in der Stadt, sowie den Raub von öffentlichem Straßenraum etc...
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Thomas Eisenhuth sagte am 14.03.2019, 16:18:
Potenzial nach oben? Das soll wohl ein Scherz sein. Der Anteil vom Fahrradverkehr in Wien ist verglichen zu den meisten anderen europäischen Metropolen unterirdisch. Ich kenne die offizielle Zahl von angeblichen 7 %. Selbst die ist geschummelt. Ich habe eher den Eindruck wir sind hier in einer Szene von Freunden der Homöopathie.
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Joachim Kaluza sagte am 10.04.2019, 08:50:
Wien ist sehr schön, aber leider auch eine Autofahrerstadt. Wer einmal in Barcelona zu Fuß und / oder mit dem Fahrrad unterwegs war, merkt, welches Entwicklungspotential Wien nach oben noch hat. Viele Maßnahmen könnte man sofort (ohne große Investitionen in Baumaßnahmen) umsetzen: - Grundsätzlich Tempo 30 - Grünphasen für Fußgänger so lang machen, daß man wirklich die andere Straßenseite erreicht - am Ring eine Fahrbahn nur für Radfahrer einrichten (das würde auch ein Zeichen setzen) - U-Bahn 10er-Ticket für 10,-EUR, dann fährt man halt mal U-Bahn, wenn es regnet oder schneit. Der Radfahrer braucht kein Jahresticket. Eine Stadt sollte für die Menschen da sein und nicht für die Autos! Langfristig gesehen sollte man das Radwegenetz entwirren, manchmal ist das wie im Irrgarten.
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