„Wind spürt man immer.“

Alexander Orlik radelt oft zu seinem Arbeitsplatz auf die Hohe Warte. Hier spielt das Wetter für ihn ganz persönlich eine unmittelbare Rolle. Mehr noch beschäftigt es ihn allerdings beruflich – Alexander ist Meteorologe an der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG). Wie sich Wien –  aus meteorologischer Sicht – von typischen Fahrradstädten wie Kopenhagen unterscheidet und ob in Wien wirklich immer der Wind weht, erklärt er im Interview.

Sie fahren selbst regelmäßig mit dem Fahrrad zur Arbeit. Machen sie die Wahl Ihres Fortbewegungsmittels vom Wetter abhängig?
Alexander Orlik: Um ehrlich zu sein, ja. Ich wohne östlich von Wien und habe bis hier herauf auf die Hohe Warte einen Anfahrtsweg von über 20 Kilometern. Je nach Wind und aktueller Form benötige ich dafür knapp unter einer Stunde. Wenn es dann nur ein bisschen über 0 Grad hat und regnet, steige ich auf das Auto um. Allerdings ist das Gefühl, wenn ich im Büro ankomme nicht zu vergleichen. Mit einer Radfahrt startet man einfach viel besser in den Arbeitstag.

Sie kommen mit dem Fahrrad über die Donauinsel nach Wien. Welche Rolle spielt da der Wind und überhaupt beim Radfahren in Wien?
Auf der Donauinsel ist der Wind immer besonders zu spüren. Das liegt an der exponierten Lage und daran, dass der Wind von der Flussrichtung der Donau beeinflusst wird. Ganz prinzipiell kann man Wien windtechnisch in zwei Teile teilen: den Westen, der Richtung Wienerwald hin reicht und deswegen etwas windgeschützter ist, und den flachen und weniger verbauten Osten. Generell liegt in 70 Prozent der Zeit die mittlere Windgeschwindigkeit in Wien zwischen fünf und 20 km/h. Vergleicht man Wien mit anderen Landeshauptstädten in Österreich, gibt es verhältnismäßig viel Wind. Zieht man beispielsweise die vielgepriesene Fahrradstadt Kopenhagen zum Vergleich heran, fällt allerdings auf, dass dort im Schnitt ein stärkerer Wind weht, wenn auch bei geringerer Böigkeit. Der Wind weht in Kopenhagen also gleichmäßiger. Das liegt am Einfluss des Meeres.

Ab wann wird Wind für Radfahrer spürbar?
Wind ist beim Radfahren immer spürbar, auch wenn es nur 10 km/h Rückenwind sind. Man schreibt die Auswirkungen nur nicht immer dem Wind zu. Bei 20 bis 30 km/h Gegenwind wird es dann allerdings spürbar anstrengend. Bei böigem Wind ist auf dem Fahrrad besondere Vorsicht geboten. Fortsetzung unter dem Foto

Sie haben vorher Wien mit Kopenhagen verglichen, wo ein großer Anteil der Bevölkerung täglich mit dem Rad unterwegs ist. Wie sieht ein genauerer meteorologischer Vergleich der beiden Städte aus?
Kopenhagen ist stark vom ozeanischen Klima geprägt. In Wien herrscht kontinentales Klima. Dadurch unterscheiden sich schon einmal die durchschnittlichen Temperaturen, welche ja einen großen Einfluss darauf haben, ob Menschen Radfahren oder nicht. In Wien ist es eigentlich bis auf den Dezember im Schnitt immer wärmer oder zumindest gleich warm wie in Kopenhagen. Ähnlich wie beim Wind fehlen in Kopenhagen auch bei der Temperatur die Extreme. Da das Meer in dieser Region selten zufriert, hat es im Winter einen wärmenden Effekt.

Neben der Temperatur spielt auch der Niederschlag für Radfahrer eine wichtige Rolle. Wie steht Wien diesbezüglich da?
Besser als der Ruf vermuten lässt. Wien ist ja nicht unbedingt für gutes Wetter bekannt. Dabei gibt es relativ wenig Niederschlag und viele Sonnenstunden. Über das ganze Jahr gerechnet gibt es in Wien rund 300 Sonnenstunden mehr als in Kopenhagen. Was natürlich auch an der nördlicheren Lage Dänemarks liegt. Auch die Niederschlagsmengen sind in Wien relativ niedrig. Verglichen mit anderen österreichischen Landeshauptstädten schneidet Wien diesbezüglich gut ab. Im Sommerhalbjahr fallen insgesamt nur 387 Millimeter und das an 50 Regentagen. Damit ist Wien im Sommer die Landeshauptstadt mit dem geringsten Niederschlag und den wenigsten Regentagen. Und auch über das gesamte Jahr gerechnet, ist die Niederschlagsmenge in Wien am geringsten. Sieht man sich die Zahl der Regentage in Kopenhagen an, ist diese eindeutig höher als jene in Wien.

Könnte man also sagen, dass in Wien aus meteorologischer Sicht nichts gegen das Radfahren spricht?
Im Gegenteil, es spricht sogar, aus persönlicher und meteorologischer Sicht, viel dafür.

Alexander Orlik, ZAMG

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